Ludwigshafen

beschrieben im Jahr 1857


Die alte und neue Pfalz liegen sich am Rheine, an der Mündung des Neckars gegenüber, hier ist die jüngste deutsche Stadt, drüben die Residenz der letzten Kurfürsten.

Ludwigshafen ist das pfälzische Altona, das "Allzunah" für die Mannheimer Kaufleute. Vor sechzig Jahren noch stand hier der Brückenkopf der Stadt Mannheim und weiter nichts; in den Revolutionskriegen (1792-1802) oft der Gegenstand heftiger Kämpfe, wurde er endlich zerstört und als die Pfalz auf dem linken Rheinufer an Bayern kam, siedelten sich einige Speyerer Kaufleute hier an, die Herren Lichtenberger, Scharpff und Komp. führten einige Gebäude und beträchtliche Magazine für Spedition auf, wozu noch einige Wirtshäuser kamen, sodaß die sogenannte "Rheinschanze" bald ein lebhafter Platz wurde. Jedoch flößte diese Kolonie den Mannheimer Handlungshäusern noch keinerlei Furcht ein, die früher kurpfälzische Residenz blieb die alleinige Inhaberin des Speditions- und Produktenhandels am Oberrhein. Als aber die große pfälzische Eisenbahn das südwestliche Deutschland mit Paris und mit Havre de Grace(1), dem großen Sammelplatz der Auswanderer und des Handels nach Amerika verbinden sollte, da erkannte man die Wichtigkeit dieses Ausgangspunktes jener großen Bahn immer mehr und der Plan hier eine Stadt auf den Namen des König Ludwigs zu gründen fand seine Ausführung. Im Jahre 1843 begann der Bau der Stadt nach großstädtischem Plane, doch sind erst nur einige Straßen fertig. Aber der Handel und die Bedeutung der jungen Stadt stieg mit der Vollendung jener Bahn außerordentlich rasch.
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Ludwigshafen mußte im Jahre 1849 die Feuerprobe durchmachen. In jener bewegten Zeit war besonders die die umliegende Landschaft Zeuge von kriegerischen Szenen. In der Nacht des 9. Mai wurde durch die Volkswehr der umliegenden Orte unter Blenkers Kommando die Brückenwacht zu Ludwigshafen überrumpelt, in dem Dorfe Eppstein zwei Tage darauf ein bayerisches Piket(2) überrascht; Blenker hielt den Brückenkopf besetzt, während in Mannheim die badischen Soldaten zu den Freischaren übergingen. Die Revolution war im vollen Gange, aber auch die Kopflosigkeit der Führer. Einen Monat später standen die Preußen in Ludwigshafen und dieses ward nun von Mannheim aus durch die revolutionären Truppen heftig beschossen. Es kam zum hitzigen Kanonenkampf, die 12 Geschütze der Badenser trafen gut und die Preußen standen zum erstenmal im Feuer. Bald brannte die Stadt, mehrere der schönsten Gebäude gingen in Flammen auf und die Beschießung dauerte vom 15. bis zum 23. Juni. Es gibt Leute, welche behaupten, daß die Mannheimer den Brand von Ludwigshafen nicht ungern gesehen hätten, ja daß einzelne Kaufleute mit Geld und Wein den Artilleristen zusetzend gerufen hätten: "Schießt das Nest da drüben zusammen!"
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Mehrere diesseitige Handelshäuser hatten durch die Beschießung bedeutend gelitten und wurden von der bayerischen Regierung mit 286.000 Gulden einigermaßen entschädigt. Bald war die Scharte wieder ausgewetzt, Ludwigshafen hob sich nur rascher, sodaß schon 1851 im Freihafen und im Inlandhafen mehr als eine Million Zentner an Stückgütern hier zur Verführung kamen. Seitdem hat sich der Verkehr noch viel bedeutender gehoben, der Speditionshandel kommt immer mehr in die Hände von Ludwigshafen und die meisten Mannheimer Handlungshäuser haben jetzt ihre Nebenkontors hier.
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Besonders groß und schön ist der Bahnhof, als Ausgangspunkt der wichtigen Pfälzer Eisenbahnen, in welchem die Bahnzüge von Paris, Metz, Straßburg und Mainz zusammentreffen, ein massiver aus rotem und weißem Sandstein aufgeführter ebenso imposanter wie zweckmäßiger Bau, der ganz dem hohen Kredit entspricht, den die Pfälzer Bahn in die Finanz- und Geschäftswelt gewonnen hat. Die Aussicht von diesem Bahnhof auf den majestätischen Strom, die Maste und Dampfschiffe des Hafens, die belebte Schiffbrücke und die einstige Residenzstadt der alten Kurfürsten am jenseitigen Ufer ist fesselnd.
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Ludwigshafen ist noch lange nicht ausgebaut. Was fertig ist, erinnert lebhaft an "Neuathen" an der Isar, an neuere Münchner Stadtteile; freilich fehlen jene prachtvollen Tempel der Kunst, die Bauten hier sind alle nur dem Merkur geweiht, dem praktischen Leben, Handel und Gewerbe gewidmet. Die Direktion der Dampfschifffahrtsgesellschaft und der pfälzischen Eisenbahnen befinden sich hier. Das Deutsche Haus und Hotel Wolf sind die besseren Gasthöfe. Die "Pfälzer Zeitung" wird hier ausgegeben. Im Sommer ist hier ein kleines auf Vaudevilles(3) und Bluetten(4) sich beschränkendes Theater.
 

(1) Havre de Grace = Le Havre, französiche Stadt an der Seine in der Normandie
(2) veraltet für Vorposten (milit.)
(3) Vaudevilles: ein Pariser Theatergenre mit Gesang und Instrumentalbegleitung, das in den 1840er Jahren den Höhepunkt seiner Beliebtheit erreichte
(4) Bluette (frz.): kleines, witziggeistreiches Bühnenstück
 
Auszug aus: Die Pfalz und die Pfälzer von August Becker
Erstausgabe:  1858
 

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