Karte der Pfalz von 1857

Die Pfalz, Land und Leute

Die Pfalz, beschrieben im Jahr 1857
 

Die heute wieder den alten Namen führende bayerische Provinz Pfalz liegt auf dem linken Rheinufer, vom Mutterlande getrennt und breitet sich über einen großen Teil der oberrheinischen Ebene, der Vogesen und über das ganze Haardtgebirge aus, bis südwestlich zur Saar ins Moselgebiet und nordwestlich bis zur Nahe und zu den Hunsrückhöhen. Der Rhein trennt das Land östlich von Baden, die Lauter südöstlich vom Elsaß, nordwestlich der Glan und die Nahe von Rheinpreußen und dem Meisenheimer Ländchen, während südwestlich Lothringen und nordöstlich Rheinhessen ohne natürlich Grenzen anstoßen.
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Die bedeutendste Handelspflanze ist der Tabak geworden, dessen Anbau immer größere Ausbreitung und wahrhaft reißenden Absatz findet; schon vor 1850, wo er auf den Gau um Germersheim und Speyer beschränkt war, lieferte die Pfalz 100 000 Zentner, - seitdem hat sich aber der Anbau vielleicht mehr als um das Doppelte verstärkt.
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An Wein produziert das Land durchschnittlich im Jahre gegen 108 000 Fuder(1); rechnet man nun nur den allergeringsten Preis zu 100 Gulden das Fuder, so sind das 10 800 000 Gulden(2). ...
Freilich ist der Weinbau durch eine Reihe aufeinanderfolgender schlechter Jahrgänge in Misskredit gekommen und die Gaubauern fangen klugerweise an, die "Wingerte" in der Ebene abzureißen und Tabak hinein- zupflanzen. Aber dem echten Weinbauer an der Haardt und längs der Vogesenkette soll man nicht mit solchen Zumutungen kommen, er würde sie mit eben so vollem Rechte abweisen, da sein schönes sonniges Land und die steilen Abhänge der Berge trotz allen schlechten Weinjahren doch eben nur für den Weinbau und für diesen am besten geeignet ist. Wo die Kastanie wild wächst und alljährlich zur rechten Zeit reift, wo die Mandel schon im Februar blüht und im Herbste reichlich Früchte trägt, da kann auch das rechte Weinjahr eintreffen und dann lacht der Weinbauer alle schlechten Propheten aus.
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Fleiß, Ausdauer und Geschick zur Landwirtschaft zeichnen überhaupt den Pfälzer aus und die musterhafte Bebauung des Bodens hat schon längst der Pfalz einen berühmten Namen gemacht. Das ist nun so im reichen üppigen Gau, wo man vom Brachliegen des Bodens längst nichts mehr weiß und jährlich sogar zwei Ernten auf einem und demselben Felde zu ziehen weiß, als im fruchtbaren Hügelland am Donnersberg oder auf der Sickinger Höhe oder in dem Gebiet der Blies, wo noch die Dreifelderwirtschaft(3) fortbesteht. Die Zerteilung der Güter hat in der Pfalz der Landwirtschaft in keiner Weise Nachteil gebracht und es ist überhaupt lächerlich, Zustände, wie sie für das menschenleere Altbayern passen mögen, auf die Pfalz anwenden zu wollen, ebenso lächerlich als die Pfalz für ein armes Land zu erklären gegenüber von Ziffern, Zahlen und Tatsachen. Fleiß, Ausdauer und Geschick zeichnet den Pfälzer auch in jeder anderen Beziehung aus, mag er nun den Rhein seines Fischüberflusses entheben oder die Schätze der Erde aus den Tiefen der Berge holen. Freilich findet man im Rheinstrom das Gold nicht klumpenweis wie in Kalifornien; aber ein schwarzes Kalifornien besitzt die Pfalz doch in ihrem Kohlengebiet des Westrichs. Was sie mit der Gegend von Idria(4) vor allen anderen deutschen Bundesländer auszeichnet, das sind ihre vielen Quecksilberbergwerke, gleichfalls im Westrich, das auch besonders reich an sonstigen Mineralien ist und das Bergmannsleben in schönster Blüte steht.
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Was die Viehzucht betrifft, so überragt auch hierin das Westrich die schöne Vorderpfalz; sie wird dort durch die trefflichen Wiesengründe des Glantals und der Blies begünstigt. Schöne Pferde zieht besonders die Umgegend von Zweibrücken und der ebene Gau am Rhein. - An diesem Strom blüht auch die Geflügeljagd;  im Bienwald und auf den Höhen der inneren Haardt, in den großen Wäldern am Johanniskreuz gibt es noch viele Rehe, wenn auch nur ganz selten Hirsche, während in den Wald- und Felsschluchten des Wasgaus bei Dahn und im Bienwald sich noch Wildschweine rühren. In den großen Wäldern der Wasserscheide horsten noch Auerhähne und Uhus. Sonst lässt sich in der Vorderpfalz noch hie und da ein Häschen oder ein Fuchs blicken. Der "Jäger aus Kurpfalz" würde erstaunen, wenn er heutzutage wieder durch unsere Felder und Wälder striche, welche Leere an Wild die französische Revolution hier zu Folge hatte, und er würde kaum mehr so lustig sein Lied singen wie vordem.
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Und nun zu den Bewohnern des schönen Landes selbst, das in seiner Milde den Übergang zu den südlicheren Gegenden bildet. Wie das Land, so sein Bewohner, der ja, wenn man will, nur der vergeistigte Ausdruck des Landcharakters ist. In der lustigen, heiteren, reichen Pfalz können auch nur heitere, fröhliche, reichbegabte Menschen wohnen. Schon was den Körperbau betrifft, kann der rheinfränkische Schlag der Pfälzer als einer der bevorzugtesten gelten, - schlanke, gerade und doch noch kräftige Figuren herrschen durchgängig vor. Die Pfälzer sind wohl im Durchschnitt die an Gestalt größten Süddeutschen, - sie liefern das ansehnlichste Kontingent zu den bayerischen Kürassieren. Schon das flotte Äußere zeugt von Kraft, aber noch mehr von Gewandtheit und natürlichem Anstand und spricht die Erregbarkeit, die Rührigkeit und Gewecktheit des Geistes aus, welche diesen Stamm auszeichnen. Die Tätigkeit des Volkes, der ausdauernde Fleiß, das Geschick und die Gewandtheit, gepaart mit natürlicher Intelligenz und Geistesfrische, sind längst anerkannt.
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Dies sind allgemeine Züge, von denen es natürlich eine Masse Ausnahmen bei den Einzelnen gibt. Aber auch bei den Bewohnern der einzelnen Landesteile modifiziert sich dieses Urteil.
 
 

(1) Fuder, altes Weinmaß, 808–1840 Liter.
(2) 1 Gulden entspricht heute ungefähr 15-20 €
(3) Dreifelderwirtschaft = Fruchtfolge im Jahresturnus - Sommergetreide, Wintergetreide und Brache
(4) Idria = kleine Ortschaft in Slowenien
 
Auszug und Bild aus: Die Pfalz und die Pfälzer von August Becker
Erstausgabe:  1858
 

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