Die rheinischen Mundarten gliedern sich in das Niederfränkische, Mittelfränkische
und Rheinfränkisch. Die beiden Hauptzweige des Südrheinfränkischen sind, aufs engste miteinander
verwandt, das Rheinhessische und das Rheinpfälzische oder, wie wir kürzer sagen, das Pfälzische, das
südlich bereits am Hagenauer Forst einsetzt, im Osten bis über den Main geht, im Norden ins
Rheinhessische und im Westen ins Mosel- fränkische hinüberfließt.
[...]
Und doch bestehen lautlich große Unterschiede vom Rhein zur Blies, von der Lauter zur Alsenz, von der Queich zum Glan. Das, was der Mundart ihr
besonderes Gepräge gibt, ist ja die Eigenart ihrer Laute, der Vokale und Konsonanten, durch die sie sich von der Schriftsprache und der
gemeindeutschen Umgangssprache mehr oder minder scharf abhebt. Namentlich fällt die pfälzische Kürze auf, die hier den
Durchschnitt der oberdeutschen Dialekte und der Schriftsprache übersteigt und mittelalterliche Übung
in die Gegenwart herüberklingen lässt.
Unter den Vokalen deckt sich beispielweise der kurze a-Laut (Wasser) im ganzen mit dem halbhellen
a der Schriftsprache; das lange a der Schriftsprache, zugleich fast jedes â des
Mittelhochdeutschen wird wesentlich anders behandelt. Der Pfälzer muss sich plôche (plagen);
er ißt Brôde statt Braten; er loßt (laßt, läßt) sich nicht frôge (fragen).
Er kommt schbod (spät) heim. Der südostpfälzische Bauer streut Sâme und Saume
(Samen). Andererseits wird dem Pfälzer der Monat zum Mônet, wohl auch Munet, der Mond
zum Mund. Große Mannigfaltigkeit begegnet beim kurzen und langen o(ô)-Laut, wie eben
wechselnde Orts- und Gaumundarten den o-Vokal des Mittelalters wandelt. Da wird "holen"
bald zu hôle bald zu houle; hier heizt man Kôle, dort Koule. Vor
Nasenlauten wird ehemals kurzes o zu a oder u: Gewohnheit > Gewaned, dort
zu Gewuned. Langes o des Mittelalters wird als ô (Brod, hôch), aber
auch ou (Broud, houch) gesprochen; vor Nasalen hier als u (Bun,
Bohne), dort als ô (Bôn, Bohne), hier als a (Ban, Bohne), dort wieder als au
(Baun, Bohne). Der Pfälzer kumedirt, wo andere kommandieren. Kurzes altes u wird
teils zu û oder o, teils bleibt es. Futter ist Fûder, Bodder < Butter;
schlupfen wird meist zu schluppe, schlopp. Aus dem Burschen wird ein Borsch oder
gar Barsch ( u vor r > o), die Wurst wird zur Worscht, der
Wurstmarkt zum Worschtmarkt, der Wurm zum Worm.
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Bei den e- und i-Lauten und den Umlauten von a, o, u begegnen wir wieder großer
Mannigfaltigkeit der Entwicklung. Die Kälte wird zur Kelt, zählen zu zele, anderwärts
zu zeile; der Bauer denglt hier seine Sense, dort dinglt sie der
"Dingler"; die Arbeit wird zur Erwet und Aerwet. Durchweg als e mit ä-Tönung
hat sich das neben altem durch Umlaut gediehenen sog. geschlossenen e stehende e, das der
Sachse liebt, bei uns erhalten. Wie Schnägge erscheit darum die Schnecke, der Stern wird zum Schtärn.
Ein ö kennt der Pfälzer nicht. Seine Höfe werden zu Hef, er gießt Eel in seine
Lampe statt Öl. Langes ö wird zu geschlossenem e: dede, töten, bes, bös.
Diphthongiert wird aber auch bös zu be-is, töten zu de-ide (dä-ide). Vor
Nasenlaut wird, wie in schön, langes ö vierfach verwandelt: sche, schi, sche-i,
schä-i. Kurzes ü wird teils zu e teils zu i, wie Hinkl (Huhn), Werscht
(Würste), Berscht (Bürste), Der (Tür) beweisen; langes ü, das als eu (äu)
in der Schriftsprache fortlebt, ist zu ai gespalten: braine, bräunen; Haiwl,
Häubchen. Kurzes i erscheint zum e gewandelt (Meschd, Mist, Wend, Wind, Kend,
Kind, Kerch, Kirche, Kerwe, Kirchweih). Deutlich mitteldeutsch ist auch die Wandlung, die
alte Diphthonge, die als ei, au, eu im Neu- hochdeutschen erscheinen, in der Pfalz erfahren. Man
ist in der Pfalz nicht klein, sondern gle(n), glä(n), gla(n); man geht heem
und haam statt heim; man hat Eeche, Ääche, Aache statt Augen; erlebt eine Freed,
Fraad statt einer Freude; man fährt Hää statt Heu ein; man ist Wittfraa, nicht
Witfrau. Man raucht nicht, sondert raacht oder räächt, man glaubt nicht, sondern glaabt,
glääbt.
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Was die Konsonanten anlangt, so fehlt weitaus, um ein Hauptkennzeichen zu nennen, die Verschiebung des
p-Lautes zu pf. Der Pälzer geht mit der Peif zum Parre (Pfälzer, Pfeife,
Pfarrer). Er will mit dem Kopp (Kopf) durch die Wand und muss sich nachher ein Plaschter
(Pflaster) auflegen.
[...]
Auf den ersten Blick scheint in der Lautgebung der Mundart alles kunterbunt durcheinander zu gehen.
Schriftsprachliches "Zeit" und "weit" heißt Zeit und weit,
"breit" und "Kleid" aber bald breet und Kleed bald auch braat
und Klaad. Das "Haus" und die "Laus" heißt ebenso Haus und Laus,
das "Laub" aber Laab und der "Lauf" Laaf. Die pfälzische Mundart
setzt hier - wie andere - alte Doppelheit getreu fort, die die Schriftsprache aufgehoben hat. Genau so
steht es mit dem Nebeneinander von grawe (graben) und schlofe (schlafen) und der
verschiedenen Dauer der Selbstlaute in gewwe, nemme, Haffe, Offe, Zwiwwel, Zuwwer für geben,
nehmen, Hafen, Ofen, Zwiebel, Zuber; überall hat die Mundart Altes bewahrt.
[...]
Auch auf dem Gebiet der Wortbiegung liegen die Dinge nun anders, nicht ungünstiger als in der
Schriftsprache.... Den Wessenfall hat sie bis auf einzelne erstarrte Formen in Ausdrücken wie bei's
Müllers, in's Schmitte, in Redeweisen wie Versteckels spiele, e Schreiwes krieche,
e Schtick Wegs, e Busche Griines, Kopps größer, Sonntags u. ä. ganz
aufgegeben. Der Wer- und Wenfall werden schon nicht mehr ganz scharf einander entgegengesetzt; man kann
hören du bischt en große Esel und e schäner Gruß (Wenfall); so tritt nur dieser
Wer-Wenfall noch dem Wenfall gegenüber, aber auch nur beim Hauptwort mit Hilfe des Artikels; die
Wortformen selbst sind in Einzahl und Mehrzahl je einander gleich: der, dem, den Mann, die, den-
(de, denne Männer). Dafür hebt sich die Mehrzahl scharf von der Einzahl ab, wie es am besten
geht; hier ist die Mundart der Schriftsprache voraus. Man braucht -e, das einem
schriftsprachlichen -en entspricht, nicht nur in Schtrooß, Schtrooße (Straße,
Straßen), Has, Hase (Hase, Hasen) sondern auch oft in die Messere, Fenschtere; man
verwendet -er auch in Better, Hemder, Steener (Betten, Hemden, Steine), endlich den Umlaut
in Däg, Ärem, Hind (Tage, Arme, Hunde).
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Bei der Konjugation hat die Mundart den Unterschied zwischen den einzelnen Zeitformen und Aussage-
weisen auch etwas eingeschränkt; es gibt nur noch ein Konjunktiv (ich wär, ich hätt, ich dät)
und neben der Gegenwart fast nur noch eine Vergangenheit (ich hab gewwe, ich bin kumme, davon
abgeleitet ich bin kumme gewest, ich hab g'sehne gehabt). In der Frage der Aussageweise geht die
Mundart Hand in Hand mit der gebildeten Umgangssprache, ergänzt aber ihren Formenbestand im Konjunktiv:
nach ich brächt, ich braicht, ich kräächt bildet sie ich gingt, er kämt. Gegenüber
der Schriftsprache läuft die Grenze zwischen starker und schwacher Abwandlung in der Mundart kaum viel
anders: duldet man dort "frug" neben "fragte", "gepflegt" neben
"gepflogen, "gewägt" neben "gewogen", so gestattet sich unsere Mundart gewunke,
gewunsche, gelitte, geditte, genosse statt gewinkt, gewünscht, geläutet, gedeutet, geniest. Eine
Vereinfachung bedeutet das Verschwinden der Vorsilbe ge- z. B. in er is kumme, er hott gewwe.
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Die Mundartgrenzen spiegeln sich auch in der Wortgeographie des Sprachschatzes. Der Pfälzer trinkt hier
aus der Taß (Tasse), dort aus dem Kummche; er schreibt hier auf die Schifferdaafel,
dort auf den Lai; er fängt hier den Maulwurf, dort den Mauerwolf oder den Moltroff;
hier den Schmedderling oder die Fledermaus, dort den Summervochel oder Bubeller;
das Kind isst hier seinen Flaade, dort seine Schmier oder Schmeer; hier kämmt
man sich, dort streelt man das Haar; hier schwingt der Bauer die Gaaschel, Geeschel
(Geißel), dort die Baitsch; hier kocht die Frau im Dibbe, dort im Haffe (Hawe);
in diesem Stall stehen Geil oder Roß, dort Perd; hier sammeln Kinder Weele,
Hedelbeere; dort Staurelbeere, hier Ha(n)woodle, dort Hachebutte; hier ist
eine Klaam, dort ein Grääwel; hier gibt es Imme, dort Biene; hier Ginschder
(Ginster), dort Bremme; hier Gorke (Gurken), dort Gegummere, Gummere; hier Hegge
(Hecken), dort Pusch, Dare oder Dore, auch Darepitsch (Dornbüsche); hier Lick(e),
dort Wasserweck.
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