Volkstum der Pfalz

Die Pfälzer haben nie einen besonderen Stamm gebildet, auch nicht, als es noch eine Kurpfalz gab. Pfälzisches Volkstum, das mit den landschaftlichen Reizen unserer Heimat wie mit ihrer Geschichte aufs innigste verwachsen ist, haben im Lauf der Jahrtausende vielerlei Kräfte und Strebungen gestalten helfen.
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Die Pfälzer Familienanthropologie lässt, was uns auch sonst bewusst wird, erkennen, dass unsere Heimat, ein typisches Durchzugsland, zum Studium von Rassenkreuzungen sich besonders eignet. Zwei bedeutsame Komponenten des zentral-europäischen Bevölkerungsgemenges trafen sich hier, die langgesichtige, langköpfige, hellfarbige und großwüchsige nordeuropäische Rasse (homo nordicus) und die wahrscheinlich breitgesichtige, kurz- oder breitköpfige, brünette und kleinwüchsige Rasse (homo alpinus). Beide schufen hier verschiedene Mischformen, auf die wohl auch noch andere Rassen ihren Einfluss geübt haben mögen. Zu jener nordischen Rasse gehörten auch die den Germanen nahe verwandten Kelten, die in Frankreich freilich durch Vermischung mit der alpinen Rasse schon um Christi Geburt minder hochwüchsig, hellhaarig und langköpfig geworden waren. Als Gallo-Germanen erfuhren sie durch geschichtlich feststellbare Stämme, in erster Linie die Franken, einen neuen umgestaltenden Einschlag. Diese überragende Bedeutung der Franken sollte nicht verkannt und gegenüber dem sonstigen germanischen Einschlag in Gallien nicht unterschätzt werden.
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Man wird eben nie den Zustrom von Fremden vergessen dürfen, der sich bis in unsere Tage in die Pfalz ergoss. Man hat schon viel von der Auswanderungslust der Pfälzer geschrieben, man darf auch die Einwanderung nicht übersehen; gerade sie ist für die Gestaltung pfälzischen Volkstums von größter Bedeutung. In Zeiten religiöser und politischer Not folgten viele dem an sie ergangenen Ruf und die freilich immer gern aufgesuchten Pfälzer Gaue wurden nun das Ziel stets neuer Wanderer; es entspricht eben so recht dem Charakter des Pfälzers sein Ländchen in aufgeschlossener Gastlichkeit zu öffnen; gast- freundliches Wesen rühmt man ja zumal dem Vorderpfälzer nach. Wie im 16. und 17. Jahrhundert schon Scharen der Pfalz zuzogen um hier eine neue Heimat zu finden, so ward auch später noch mancher für die Pfalz bedeutungsvoll gewordene Nichtpfälzer - zum Pfälzer. Fast aus allen deutschen Landen zogen sie an unseren Rhein; die Wundt aus Steiermark, die Goßler und Pauli aus Deutschböhmen, die Schultz aus Pommern, die Seekatz vom Westerwald, die Petersen aus Holstein, die Buhl und Bassermann aus Baden, die Deinhard aus Koblenz, um nur einige Namen zu nennen; aber auch Franzosen und Italiener ließen sich in der gastlichen Pfalz nieder und deutschten vielfach ihre fremden Namen ein. Wie viele namhafte Pfälzer führen nicht ihren Ursprung in die Schweiz zurück, von wo ihre Stammväter um die Wende des 17./18. Jahrhunderts einwanderten, voran die sparsamen, fleißigen mennonitischen Landwirte.
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Von einem kleinen alemannischen Stück im Süden und Südosten abgesehen, gehört die heutige Pfalz durchweg dem fränkischen Stamme an. Die Völkerwanderung ist für sie ein tiefer Einschnitt gewesen; die um das Jahr 500 hier neu einströmende, rein germanische Bevölkerung besaß Kraft genug sich trotz "keltisch-römischer" Grundmischung und manches fremden, nichtgermanischen Einschlags in wurzelechter Reinheit zu erhalten. Auch die Scharen von Einwanderern, die später sich auf dem Boden des "alten Kolonistenlandes" zusammenfanden, die Massen flüchtiger Protestanten im 16. Jahrhundert oder die zahlreichen Schweizer und Tiroler in der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg, sind innerlich längst alle Pfälzer geworden; sie teilten mit den vordem schon Ansässigen ihrer neuen Heimat Geschicke, die uns manchen Charakterzug des Pfälzers leicht erklären.
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Neben diesen aus der Ferne kommenden geistigen Anregungen verknüpfte eben doch allzeit ein festes Band unser pfälzisches mit innerdeutschen Geistesleben, schon in den Zeiten fernen Glanzes, da das Pfälzer Kaiser- geschlecht der Salier und das der Hohenstaufen geblüht. So grüßen uns heute fast ehrwürdiger noch als die kostbaren Denkmäler der urpfälzischen Zeiten, der "Römerzeit", die der vorderpfälzische Bauer neben der "Franzosenzeit" als eigentliche Periode ältester pfälzischer Geschichte nur gelten lässt, allüberall von Pfälzer Bergeshöh' und im Tal die mittelalterlichen Denkmale, stumme Zeugen einer ruhmvollen Vergangenheit. Der Trifels war die Stätte, wo die Reichsinsignien, "das Reich", aufbewahrt wurden. Im Wettbewerb mit dem emporwachsenden Landesfürstentum und der Städtegewalt neigte sich die große Pfälzer Zeit ihrem Ende zu; das deutsche Schwergewicht verschob sich mehr und mehr nach Osten.

Erste Strophe des Pfälzerlieds von Eduard Jost:

Am deutschen Strom, am grünen Rheine
ziehst du dich hin, o Pfälzer Land,
wie lächelst du im Frühlingsschmucke,
wie winkt des Stromes Silberband!
Da steh' ich auf des Berges Gipfel
und schau auf dich in süßer Ruh,
und jubelnd ruft's in meinem Herzen:
O Pfälzerland, wie schön bist du!
 
Auszug und Bilder aus: Pfälzer Volkskunde von Albert Becker
Ausgabe: 1925 Kurt Schroeder Verlag
 

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