Leider vieles Vergangenheit !!

Mannheim beschrieben im Jahr 1857
 

Mannheim ist heute noch in vieler Hinsicht die Hauptstadt der Pfalz, auch jener am linken Rheinufer. Die Bewohner der rheinpfälzischen Dörfer und Städte betrachten sie als solche, bringen über Brücke ihre Früchte und machen hier ihre Einkäufe. Vor allem aber sieht jener reiche "Gebirgsadel" von der Haardt aus den reichen Gutsbesitzer bestehend, Mannheim als die rechte Hauptstadt ihres Landes an. Hierher kommen sie besonders an den Sonn- und Feiertagen mit der Eisenbahn oder mit eignen Kabrioletts über die Lambsheimer Heide herüber um der Vergnügungen und Zerstreuungen der einstigen Residenz teilhaftig zu werden, um hier ins Theater zu gehen, die Wirte reich zu machen, die Kaufläden zu besuchen und des Geldüberflusses los zu werden. In dieser Beziehung hat Ludwigshafen dem älteren Mannheim noch keinen Schaden gebracht und wird es ihm wohl nie bringen.

Man mag Mannheim sich nähern, von welcher Seite man will, so macht es den Eindruck einer niederländischen Stadt, Fruchtbarkeit des völlig ebenen Landes, grüne buschige Gärten, breite Ströme, Sauberkeit und Nettigkeit in den Straßen.

Mannheim
ist die große Luxusniederlage für das ganze südwestliche Deutschland und die reinlichste, sauberste Stadt die man sehen kann. Sogar die Höfe sind bemalt und ihr geplatteter Boden spiegelblank. Überall die höchste Eleganz in den Wohnungen, Gasthöfen oder auch in der Kleidung der Bewohner, die noch eine gewisse Hofturnüre (Turnüre=Reifrock) aus der alten Zeit ererbt haben.

Mitten durch die Stadt zieht sich die einzige namhafte Straße, "die Planken", welche mit Bäumen bepflanzt ist.

Das Kaufhaus, wegen der Luxusausstellungen sehenswert, ist samt seinen Arkaden bei seiner Niedrigkeit kein imposanter Bau; so auch das Rathaus am Markte. 

Das Zeughaus imponiert mehr durch seine Einfachheit und Größe.

Die Sternwarte am Schloß, besonders aber die neue Kettenbrücke über den Neckar, eine der großartigsten und geschmackvollsten, sowie das Denkmal Karl Theodors auf dem Markplatze, von den Bürgern gesetzt, sind sehenswert. 

Noch mehr Interesse weckt das restaurierte Theater, das immer noch zu den besseren Süddeutschlands gehört, da nirgends so viel Interesse für das Theater herrscht als hier.

Das Schloss ist eines der größten in Deutschland und ist die Residenz der ver- witweten Großherzogin Stephanie, des großen Napoleons Stieftochter. Es ist so recht ein geeigneter Aufenthalt für die "Ahn- und Schloßfrau".  
Links im Torweg, in einem umgitterten, offenen Gang ist das Antiquitäten-Kabinett. Der ganze Korridor zu ebener Erde ist mit merkwürdigen römischen Inschriften und Bildwerken, etrurischen Sarkophagen, Statuetten, Friesen und anderem mehr angefüllt, wovon die meisten in der heutigen bayerischen Pfalz aufgefunden wurden. Diese Sammlung wird von einem toten Hund bewacht. Es ist der große rothaarige Hund des berüchtigten Räubers Damian Hessel, welcher ein Zeitgenosse des Schinderhannes war.
Im ersten Stock desselben Flügels befindet sich die Bildergalerie, einst eine der größten Deutschlands und noch jetzt nach der Übersiedlung der besten Stücke nach München sehenswert, da sich viele Niederländer von Wert - Teniers, Rubens, Ryckaert, Rembrandt, Ruysdael, dann Holbein und Lukas Cranach hier befinden.
Die Kupferstichsammlung ist bedeutend, die Abgüsse berühmter Antiken, darunter die Niobe, Ariadne, die Roma, die Gruppe des Laokoon, die medicäische Venus, der Gladiator und Apollo vom Vatikan, - sodann noch das Naturalienkabinett sind nicht zu übersehen.

Die Spaziergänge hinterm Schloß, auf dem Rheindamm zu Schlößchen auf der Insel Mühlau dürfen nur erwähnt werden.

Die von Marmor und Gold strotzende Jesuitenkirche mit ihren Fresken hat mit ihrer leichten Kuppel und den zwei Türmen wohl ein stattliches, aber keineswegs dem reinen Kunstsinn genügendes Aussehen. Ihre antiken Formen widersprechen dem Charakter einer deutschen Kirche. Sie ist die Hauptkirche der Katholiken, welche hier die Hälfte der Einwohner bilden.

 
Auszug aus: Die Pfalz und die Pfälzer von August Becker
Erstausgabe:  1858
 

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